60 Jahre OWG

Erstellt am: 30.10.2012

Kultur und Bildung selbstverständlicher gemacht

Ein Gymnasium mitten in einem ländlichen Raum? Heute eine Selbstverständlichkeit. Vor 60 Jahren keinesfalls. Dies und die Bedeutung der Bildungseinrichtung für die gesamte Region wurde beim Festakt zum 60-jährigen Bestehen des Dahner Otfried-von-Weißenburg-Gymnasiums (OWG) deutlich. Die beiden Festredner, der frühere ZDF-Intendant Markus Schächter, selbst Abiturient am OWG, sowie der frühere Landrat und Bundestagsabgeordnete Klaus-Dieter Uelhoff, würdigten die Personen, die maßgeblich ihren Teil zu dieser Erfolgsgeschichte beigetragen haben: die 26 Bürger, die sich im Herbst 1951 im Dahner Hotel Cronauer versammelten, um die Gründung eines Gymnasiums vor Ort voran zu treiben; der Pirmasenser Landrat Ludwig Rieth, der Dahner Bürgermeister Karl Vögele sowie sein Hauensteiner Pendant Hermann Seibel, der als Landtagsabgeordneter auch seine Verbindungen nach Mainz dafür zu nutzen wusste. Diese Drei waren die treibenden Kräfte bei der Bildung der Zweckgemeinschaft zur Einrichtung des Progymnasiums.  Hinzu kamen der Speyerer Domprobst Prälat Philipp Weindel, der mit der Entscheidung, in Dahn ein katholisches Internat einzurichten, für eine laut Uelhoff „überlebensnotwendige Blutzufuhr“ an Oberstufenschülern sorgte, sowie Ministerialdirigent Ernst Maurer, der Ansprechpartner im Kultusministerium. OWG-Schulleiter Thomas Neuberger nannte auch die Leiterin der Realschule plus, Elisabeth Wieser. Sie habe maßgeblichen Anteil daran, dass heute noch im gemeinsamen Schulzentrum ein eigenständiges Gymnasium existiere.

Beide Hauptredner zeichneten anhand ihrer eigenen Erfahrungen ein lebendiges Bild. Sie erinnerten an die bildungspolitischen Rahmenbedingungen sieben Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, als kaum mehr als zwei Handvoll junger Menschen von insgesamt 17.000 Bürgern im Wasgau die Möglichkeit hatten, eine höhere Schule zu besuchen. Gründe seien zum einen die schlechten Verkehrsanbindung zu den Gymnasien in Pirmasens oder Landau gewesen, insbesondere aber die finanzielle Belastung, die kaum eine Familie stemmen konnte. Schächter, der am morgigen Mittwoch vor 64 Jahren in Hauenstein geboren wurde, erinnerte daran, dass ein Zwicker in der Schuhfabrik damals rund 320 Mark im Monat verdiente. Die Kosten für Busfahrkarte, Schulgeld, Bücher und Hefte machten rund ein Viertel davon aus.

Mit der „mutigen Zusammenkunft“ damals im Hotel Cronauer hätten die Dahner Bürger ein Bildungsproblem gelöst, das erst rund zehn Jahre später in Deutschland öffentlich diskutiert wurde, so Schächter. Die vier großen Ziele der Bildungsreform – der Abbau des Bildungsunterschieds zwischen Stadt und Land sowie zwischen protestantischem Norden und katholischem Süden, die Aufhebung der Benachteiligung der Mädchen sowie die Verbesserung der Chancengleichheit unabhängig vom Elternhaus – seien in Dahn durch die Gründung des Gymnasiums weitgehend erfüllt worden. Die religiöse Komponente der Bildungsreform interpretierte der frühere ZDF-Intendant dabei mit dem „Heben und Aktivieren vorhandener Begabungspotenziale und Bildungsreserven“, das gerade in der hiesigen Region Tradition habe. Schächter erinnerte dabei an den in Hauenstein und durch den Dahner Pater Ingbert Naab praktizierten Widerstand gegen den Nationalsozialismus.

Uelhoff ließ auch die Diskussion über die Gründung des Schulzentrums nicht unerwähnt, in dem seit seiner Einweihung 1976 auch das OWG mit heute rund 600 Schülern untergebracht ist. Denn mit dieser Entscheidung, die das zentrale Vorhalten teurer Einrichtungen wie ein Sprachlabor oder die umfassend ausgestatteten Physik- und Chemieräume ermöglichte, sei die Schließung vieler Dorfschulen einher gegangen. „Rückblickend lässt sich sagen: Es gibt nur Gewinner“, betonte er.

„Mit dem Gymnasium wurde der schul- und bildungspolitische Durchbruch in der Region geschafft“, resümierte Uelhoff. Auch Schächter betonte: „Das Gymnasium hat großen Anteil daran, dass Kultur und Bildung selbstverständlicher als je zuvor in dieser Grenzregion ins Grundwasser der Befindlichkeiten der Menschen eingegangen ist und den Alltag mitprägt.“ Es sei kultureller Mittelpunkt für eine Region mit Nachholbedarf und sichtbaren Defiziten, ein Magnetfeld für Neugier und Fortbildung, eine Institution des Zusammenhalts, ein Leuchtturm für die Identifikation vieler Menschen. „Das ist die eigentliche geistige Erfolgsgeschichte in der Bilanz unseres Jubilars.“

Für die Zukunft bezweifelte Schächter die Notwendigkeit einer Strukturreform. Viel wichtiger seien Personen, die eine entsprechende Unterrichtskultur vermitteln. Uelhoff erwartet „spannende Entwicklungen“ an der Schule, durch die demografische Entwicklung wie auch durch die weitere Schärfung des Profils – etwa durch das Festhalten am romanischen Spracheinstieg, also mit Französisch oder Latein statt Englisch als erster Fremdsprache. „Chancengleichheit in der Bildung heißt nicht die gleiche Schule für alle“, betonte er unter Applaus. Vielmehr bedeute es gleiche Startchancen mit anschließender individueller Förderung.

Schulleiter Neuberger verwahrte sich in den abschließenden Worten des Festakts, der von Schülern mit Musik- und Tanzbeiträgen mitgestaltet und auch moderiert wurde, gegen den Vorwurf, durch Einführung des romanischen Spracheinstiegs zur Eliteschule geworden zu sein. Er wünschte sich, dass das OWG nicht nur ein Gymnasium für den Wasgau sei, sondern für die gesamte Südwestpfalz. „Dieses Gymnasium ist auch wichtig für diejenigen jungen Leute, die später in der Region bleiben wollen.“

Quelle
DIE RHEINPFALZ
Pirmasenser Rundschau
Nr.253
Dienstag, den 30. Oktober 2012
Nr.16
91_5343225

OWG Dahn